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Aus dem Programm

Ins Handeln kommen

Am 12. Februar fand im Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin die Abschlussveranstaltung der Politikwerkstatt „Klima wandelt Arbeit“ statt. In einem einjährigen Dialogprozess sind rund 80 Teilnehmende aus Ministerien, Wissenschaft, Praxis, Arbeitsschutz, Klimaschutz und Sozialpartnerschaft zusammengekommen, um an der Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen im Klimawandel zu arbeiten. Ziel ist es, den Arbeitsschutz weiterzuentwickeln, Beschäftigte vor gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu schützen und die Transformation der Wirtschaft zu begleiten.

In der Rückschau wurde über Herausforderungen, aber auch über vorhandene Lösungen diskutiert, die durch erfolgreiche Praxisbeispiele anschaulich wurden. Zentral war die Frage: Was ist notwendig, damit alle relevanten Akteure gemeinsam ins Handeln kommen?

Das Themenfeld der Politikwerkstatt war groß: Gefährdungen durch Extremwetter, Hitze, UV-Strahlung sowie biologische und chemische Gefahrstoffe sind klimawandelbedingte Herausforderungen, auf die die Arbeitswelt reagieren muss – und kann. In einem ermutigenden Grußwort betonte Staatssekretärin Lilian Tschan, dass die Abschlussveranstaltung ein Schwungrad ist, um die gewonnenen Erkenntnisse und Fragen aus dem Austausch im Expertenkreis zu den Auswirkungen des Klimawandels auf sichere und gesunde Arbeit in die nächste Legislaturperiode mitzunehmen: „Die Arbeit geht weiter. Mit jedem Tag, den der Klimawandel voranschreitet, wird es dringlicher, Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten zu treffen und weiterhin alles zu unternehmen, um die Lebensgrundlagen zu erhalten, auf denen unsere Arbeit, unser Wohlstand und unsere Zukunft basieren.“ In diesem Zuge dankte Lilian Tschan allen beteiligten Expertinnen und Experten für das eingebrachte, breit gefächerte Wissen sowie für die engagierte Beteiligung am Austauschprozess in den Werkstattgesprächen, Sonderformaten und Online-Abfragen.

Rückblick auf eineinhalb Jahre intensiven Austauschs

Zum fachlichen Einstieg ließen Stefan Bauer und Dr. Götz Richter (Referat  IIIb4 des BMAS) einen Rückblick auf die vier Werkstattgespräche der Politikwerkstatt „Klima wandelt Arbeit“. In diesen wurden zentrale Fragen zur Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen vor dem Hintergrund des Klimawandels diskutiert. Im Laufe des mehr als einjährigen Werkstattprozesses kristallisierten sich sechs Themenfelder als inhaltliche Leitlinien heraus:

  • Sensibilisierung für neue Risiken und Compliance gegenüber Schutzmaßnahmen (z. B. durch zielgruppengerechte Kommunikation bzw. Wissen über relevante Risiken)
  • Maßnahmen des Arbeitsschutzes (z. B. technische Maßnahmen wie Hochwasserbarrieren und Regenabflussrohre bei Extremwetter)
  • Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im Betrieb (z. B. unterschiedlich starke Hebel für betriebliche Akteure)
  • Instrumente für den Arbeitsschutz (z. B. Gefährdungsbeurteilung, Hitzeschutzpläne)
  • Regulatorische Unklarheiten oder Lücken (z. B. Ergänzung bestehender Regularien, zeitgemäße Verbesserung der Umsetzung)
  • Nachhaltigkeit, Vernetzung und Handlungshilfen (z. B. praxisnahe Umsetzungshilfen, Vernetzung von Unternehmen und Kommunen)

Beispiele guter Betriebspraxis – vier Unternehmen, die ins Handeln kommen

Im gesamten Prozess der Politikwerkstatt stand die Verknüpfung zur Praxis im Fokus. Passend dazu wurden in einem Kurzfilm vier Beispiele guter betrieblicher Praxis aus unterschiedlichen Branchen vorgestellt – mit vielfältigen Herausforderungen und inspirierenden Lösungsansätzen: Die Einblicke in die Handlungsansätze der Hamburg Port Authority, des BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, der Berlin Recycling GmbH und der Siemens AG zeigten, wie Unternehmen und Beschäftigte aktiv werden und gemeinsam wirksame Maßnahmen erarbeiten und umsetzen können.

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©BMAS

Auf der Bühne vertieften Vertreterinnen und Vertreter der vier Unternehmen die im Kurzfilm gezeigten Ansätze und diskutierten ergänzende Aspekte. Klaus Pelster (Leiter Health Management Deutschland bei der Siemens AG) betonte: „Im Arbeitsschutz schaut man voran – wie verändert sich Arbeit und was passiert in der Umgebung? Da ist es eine logische Konsequenz, das Thema Klimawandel in den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu integrieren.“ Christina Kitzmann (Leiterin des Health Departments der Hamburg Port Authority) hob die Bedeutung gezielter Kommunikation für die Akzeptanz von Maßnahmen und die Sensibilisierung von betroffenen Beschäftigten hervor: „Es kommt immer darauf an, die Sprache der Menschen zu sprechen – adressatengerechte Kommunikation.“ Auch Christian Schwebskirchl (Leiter Logistik bei Berlin Recycling) stimmte zu und unterstrich darüber hinaus die Relevanz der Mitarbeitendenbeteiligung: „Wir müssen immer die Meinung und die Stimmen der Mitarbeitenden mitnehmen. Denn sie müssen beispielsweise die UV-Schutzkleidung tragen. Es bringt nichts, wenn ich nur aus dem Büro heraus eine Entscheidung treffe.“

Arbeitsschutz als Ermöglicher

Professor Thomas Alexander von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ergänzte die wissenschaftliche Perspektive des Ressortforschungsinstituts: „Die Auswirkungen des Klimawandels sind ein Querschnittsthema – von Raumklima über Hitze- und UV-Belastung in der Outdoor-Arbeit, Gefahrstoffumgang, Allergene und Vektoren, bis hin zu Gefährdungen im Kontext Recycling. Die Auswirkungen des Klimawandels sind überall zu erkennen. Ich denke, wir müssen das Rad nicht immer neu erfinden. Wir können beispielsweise viel lernen von anderen Weltregionen, in denen man schon länger mit Hitze umgehen muss.“

Von Schwarmintelligenz und Schwarmdummheit

Der Wissenschaftsjournalist und -autor Ulrich Schnabel knüpfte mit seinem Vortrag zur Wirksamkeit in sozialen Gefügen an die eingangs betonte Bedeutung der Multiplikator*innen an: „Das Offensichtlichste, Naheliegendste und Wichtigste ist für uns oft schwer zu erkennen: Wir agieren als Menschen immer in Netzwerken, das ist für den Erfolg dessen, was wir tun, zentral.“ Anhand zahlreicher Beispiele und untermauert durch wissenschaftliche Studien zeigte er, wie soziale Beziehungen Menschen motivieren, beeinflussen und antreiben. Er verdeutlichte, dass selbst prominente Vorreiter gesellschaftlichen Wandels nur deshalb erfolgreich waren, weil sie auf dem Engagement und den Ideen anderer Menschen aufbauen konnten.

Mit vernetzten Kompetenzen ins Handeln kommen

Vertreterinnen und Vertreter aus dem Expertenkreis, die mit ihrem Wissen und ihren Perspektiven die Politikwerkstatt angetrieben haben, identifizierten zentrale Hebel für klimaresilientes Arbeiten. Stellvertretend für verschiedene Disziplinen im Expertenkreis diskutierten Dr. Thomas Linz (stellvertretender Vorstand des VDSI und Head of HSE Berlin bei der Bayer AG Berlin), Susanne Liebe (Präsidentin des VDBW und Leiterin der Abteilung Arbeits- und Gesundheitsschutz am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden), Marco Färber (stellvertretender Konzernbetriebsratsvorsitzender der BG Kliniken Holding) und Professorin Anke Kahl (Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (ASGA) sowie Professorin für Arbeitsschutz an der Bergischen Universität Wuppertal).

Dr. Thomas Linz betonte, es sei wichtig, die Umsetzungshürden auch für kleine und mittlere Unternehmen so gering wie möglich zu halten, und verwies als gutes Beispiel auf die Handlungshilfen der Offensive Mittelstand. Marco Färber erklärte, dass Betriebsräte bereits heute über Einflussmöglichkeiten verfügten, um Klima- und Arbeitsschutz im Betrieb zu stärken: „Beim betrieblichen Umweltschutz haben wir dagegen bisher nur ein Mitspracherecht.“ Es käme darauf an, gemeinsam Wege zur Umsetzung von Regeln und zur Beteiligung der Mitarbeitenden zu finden. Mit großer Anerkennung hob er die gute Zusammenarbeit mit den betrieblichen Nachhaltigkeitsbeauftragten hervor und betrachtete diese als wertvolle Chance. Professorin Anke Kahl gab Einblicke in ihre Arbeit als Ausschussvorsitzende des ASGA, in dem die Sozialpartner gemeinsam zentrale Rahmenbedingungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erarbeiten. Sie bekräftigte, dass die Ergebnisse der Politikwerkstatt in die ASGA-Arbeit einfließen werden. Dabei betonte sie: „Mehr oder weniger Regeln – das ist nicht unbedingt die Frage! Wir brauchen bei komplexen Problemstellungen kohärente Regeln, die gut aufeinander aufbauen, damit Unternehmen und Beschäftigte sie gut zur Anwendung bringen können.“ Als praktischen Ansatz ergänzte Susanne Liebe: „Es gibt bereits viel gutes Infomaterial bei den Berufsgenossenschaften, spezifisch für viele Branchen. Mir fehlt noch eine Bündelung all dessen, was wir hier zusammengetragen haben und zu schauen, für welche Branche es noch keine Materialien, Empfehlungen und Handlungshilfen gibt.“

Sozialpartner und BMAS – gemeinsam ins Handeln kommen

Zum inhaltlichen Abschluss diskutierten Peer-Oliver Villwock (Leiter der Unterabteilung Sicherheit und Gesundheit im BMAS) mit Dr. Sebastian Schneider (politischer Referent für Prävention, gesetzliche Unfallversicherung, europäische Arbeitsschutzpolitik beim DGB) und Sebastian Riebe (Referatsleiter Soziale Sicherung beim BDA).

„Das Klima interessiert sich für keine Talkshow, kein Plakat, kein Wahlprogramm. Es verändert sich, wir müssen uns darauf einstellen und anpassen und für menschengerechte Arbeitsbedingungen sorgen“, leitete Peer-Oliver Villwock ein.

Dr. Sebastian Schneider nahm vor allem Gruppen mit besonderem Unterstützungsbedarf in den Blick: „Viele Regeln sind wichtig, um die Schwächsten zu schützen, die nicht in einer so starken Position sind, sich einen guten Arbeitsvertrag auszuhandeln oder den Arbeitgeber für einen besseren Arbeitsschutz zu wechseln.“ Doch auch auf Unternehmensseite gebe es besondere Bedarfe: „KMU wurden heute mehrfach angesprochen. Auch kleine Unternehmen können von Regelungen profitieren, weil sie klar gesagt bekommen: Das muss ich tun, dann erfülle ich meinen gesetzlichen Auftrag und habe gesunde Mitarbeitende. Das Thema Arbeitsschutz sollten wir nicht als lästige Bürokratie wahrnehmen, sondern als Standortvorteil.“ Sebastian Riebe stellte klar: „Der Klimawandel hat Gefährdungen zur Folge – darüber braucht man nicht streiten. Wenn Beschäftigte bei ihrer Tätigkeit mit Gefährdungen konfrontiert sind, die aus dem Klimawandel resultieren, müssen sie geschützt werden.“

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussionsrunde lag auf dem Bürokratieabbau und guter Regelsetzung. Die Diskutanten waren sich einig, dass der Fokus auf anwendungsorientierten, praktikablen Regeln und einer Entlastung von Unternehmern und Arbeitsschützern von überflüssigen Anforderungen liegen sollte. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, dass notwendige Standards für sicheres und gesundes Arbeiten nicht abgesenkt werden. Am Ende der Diskussion äußerten die drei Teilnehmenden ihre abschließenden Wünsche: „Ich wünsche mir, das Thema mehr in die Öffentlichkeit zu tragen – weil wir hier etwas beizutragen haben und weil der Arbeitsschutz breiter wahrgenommen werden sollte“, sagte Dr. Sebastian Schneider. „Ich hoffe, das Material, das hier gesammelt wurde, wird gestreut“, so Sebastian Riebe. „Gut ist, dass wir nicht diskutieren, ob das Schutzziel das richtige ist, sondern über den Weg dahin – da sind wir schon weit gekommen“, resümierte Peer-Oliver Villwock.

Ausblick auf mehr „Klima wandelt Arbeit“

Zum Abschluss dankte Eva Schubert (Leiterin der Programmgruppe „ARBEIT: SICHER + GESUND“ im BMAS) dem Expertenkreis für die engagierte Arbeit in der Politikwerkstatt und skizzierte den Nachfolgeprozess, in dem die Ergebnisse zusammengefasst und ein konkreter Handlungsrahmen entwickelt werden. Dazu zählt auch eine wissenschaftlich begleitete Praxis-Erprobung von Ansätzen für sichere und gesunde Arbeit im Klimawandel in drei bis fünf Pilotbetrieben, die Miriam Meschede vom Centre for Planetary Health Policy vorstellte.

Ergebnisse der Politikwerkstatt, weitere Inhalte zu den Schwerpunktthemen, Beispiele guter Betriebspraxis und Einblicke in die Praxiserprobung sollen auch zukünftig auf der Webseite des Programms „ARBEIT: SICHER + GESUND“ bereitgestellt werden. Um auf dem Laufenden zu bleiben, laden wir Sie herzlich ein, unseren Newsletter zu abonnieren.

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