Blick in die EU

Blick in die EU: So gestalten unsere Nachbarländer mobile Arbeit

In ganz Europa arbeiten immer mehr Menschen außerhalb der festen Büroräume ihres Arbeitgebers. Die Staaten haben dafür deshalb bereits gesetzliche verschiedene Regelungen für flexible Arbeitsmodelle erarbeitet – vom Recht auf Abschalten über Homeoffice-Ansprüche bis zu Regeln zum Arbeitsschutz zu Hause. Es lohnt sich also ein Blick über die Grenzen hinweg: Was gilt bei unseren EU‑Nachbarn?

Mobile Arbeit ist gekommen, um zu bleiben – und das nicht nur in Deutschland. Auch bei unseren europäischen Nachbarn hat vor allem die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten und das auch nach der Zeit der Lockdowns und Distanzmaßnahmen beibehalten wollen.

Innerhalb der EU gibt es für mobile Arbeit aktuell keine einheitliche Regelung. Seit 2002 gibt es die von den Sozialpartnern auf europäischer Ebene ausgehandelte „Rahmenvereinbarung über Telearbeit“, die Grundsätzliches zum Status und zum Schutz von Arbeitnehmenden regelt, die ausschließlich von zu Hause aus arbeiten. Flexiblere Formen wie hybride oder mobile Arbeit passen nicht ganz in diesen Rahmen. Deshalb haben einige EU-Staaten in den vergangenen Jahren angesichts der hohen Beliebtheit mobiler Arbeit bereits eigene nationale Regelungen erlassen. Einige davon beleuchten wir in diesem Artikel.

Irland schafft klaren Rahmen für flexible Arbeit

Die Irinnen und Iren sind Homeoffice-Fans: 21,4 Prozent arbeiten hier laut einer Eurostat-Erhebung von 2023 üblicherweise von zu Hause aus, weitere 15,5 Prozent sind gelegentlich im Homeoffice. Da verwundert es nicht, dass das irische Parlament ein neues Gesetz verabschiedet hat, das Arbeitnehmenden das Recht einräumt, Telearbeit zu beantragen. Das Gesetz trat im März 2024 in Kraft. Arbeitgeber müssen innerhalb von vier Wochen auf die Anträge ihrer Mitarbeitenden reagieren, die gegenseitigen Interessen abwägen und im Falle einer Ablehnung diese nachvollziehbar begründen.

Nach den Rechtsvorschriften sind Betriebe außerdem verpflichtet, bei der Prüfung von Anträgen auf Fernarbeit einen speziellen Praxisleitfaden zu berücksichtigen. Dieser bietet Arbeitgebern und Beschäftigten eine Orientierungshilfe für Telearbeit sowie für die Freistellung von Arbeitnehmer*innen außerhalb der normalen Kernarbeitszeiten. Wer nicht ständig von zu Hause aus arbeiten möchte, wird auch von der irischen Regierung unterstützt: Mit der staatlich organisierten Initiative „Connected Hubs“ können Plätze in privaten und öffentlichen Coworking Spaces gefunden und zu einheitlichen Konditionen gebucht werden, um gemeinsam mit anderen mobil zu arbeiten.

Homeoffice-Rechtsanspruch für Eltern in Portugal

Ein „Right to Disconnect“ gibt es ebenfalls in Portugal – hier sind Verstöße, also Kontaktversuche des Arbeitgebers während der Ruhezeiten, sogar explizit unter Strafe gestellt. Eine weitere Besonderheit in Portugal ist der Rechtsanspruch auf Homeoffice-Regelungen: Eltern von Kindern unter acht Jahren können vom Arbeitgeber verlangen, dass sie zu Hause arbeiten dürfen, wenn die Art ihrer Tätigkeit es erlaubt. Dieser Rechtsanspruch wurde während der Hochzeit der Corona-Pandemie beschlossen und wird nun weiter beibehalten. Arbeitgeber sind verpflichtet, den Arbeitnehmenden Kosten zu ersetzen, die in Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice entstehen. Persönlich treffen müssen sich Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber-Vertreter*innen mindestens alle zwei Monate, um den Austausch aufrechtzuerhalten.

Feste Vereinbarungen für spanische Arbeitnehmende

Auch Spanien hat aus Anlass der Corona-Pandemie neue Homeoffice-Regelungen erlassen. Diese gelten, sobald Arbeitnehmende mehr als 30 Prozent ihrer Arbeitszeit außerhalb des Büros arbeiten. Dann müssen die Konditionen der mobilen Arbeit schriftlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden vereinbart werden. Es gilt hierbei das Freiwilligkeitsprinzip sowie das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit. Dabei muss unter anderem sichergestellt werden, dass Remote-Arbeitnehmende ihren Kolleg*innen, die vor Ort arbeiten, gleichgestellt sind. Der Arbeitgeber trägt die Kosten für nötiges technisches Equipment und beispielsweise anteilige Beträge für Strom und Internet. Außerdem muss der Arbeitgeber eine Risikobewertung des Arbeitsplatzes vornehmen, unter anderem nach psychologischen, ergonomischen und organisatorischen Kriterien.

Schutz für „Smart Worker“ in Italien

Die Pflicht zur schriftlichen Regelung der Konditionen mobiler Arbeit gibt es unter anderem auch in Italien. Hier ist seit 2021 sehr genau festgelegt, was zwischen „Smart Worker“ und Arbeitgeber abgeklärt werden muss: Wie der Arbeitgeber sein Weisungsrecht ausüben kann, welche Ruhezeiten die Arbeitnehmenden haben und wie der Arbeitgeber technisch und organisatorisch sicherstellt, dass Ruhezeiten und Pausen auch eingehalten werden. Mehr Flexibilität gibt es dagegen bei den Arbeitszeiten: Hier kann auf feste Zeitvorgaben zugunsten vereinbarter Ziele verzichtet werden. Doch auch Italien kennt das „Right to Disconnect“ – Geräte dürfen während der Ruhezeit, Pausen und Krankheit ausgeschaltet werden, auf Kontaktversuche muss nicht reagiert werden. Außerdem müssen „Smart Worker“ in Italien dem Arbeitsministerium gemeldet werden. Verpflichtend ist seitens des Arbeitgebers auch die jährliche Aufklärung über Arbeitsschutzrisiken.

Umfangreiche Regelungen für Homeoffice in Österreich

Bei unseren Nachbar*innen in Österreich gibt es seit 2021 ebenfalls angepasste Homeoffice-Regelungen, die von den Sozialpartnern ausgehandelt und in Gesetzesform überführt worden sind. Grundsätzlich gibt es hier weder einen Anspruch von Arbeitnehmenden noch eine Möglichkeit für Arbeitgeber, Homeoffice verpflichtend anzuordnen. Beide Parteien können jedoch die Arbeit außerhalb der Geschäftsräume freiwillig schriftlich vereinbaren. Arbeitgeber müssen dann die nötigen digitalen Arbeitsmittel inklusive ergonomischer Software bereitzustellen, und gegebenenfalls auch Kosten fürs Internet ersetzen. Die meisten Bestimmungen des Arbeitnehmer:innenschutzgesetzes gelten auch im Homeoffice. Demnach müssen Arbeitgeber Gefährdungen bewerten und darüber aufklären sowie Arbeitnehmende auf ihre Rechte hinweisen. Dazu zählen etwa eine Bildschirmbrille, regelmäßige Augenuntersuchungen sowie Richtlinien zum ergonomischen Arbeiten. Bei Arbeitszeiten und Unfallsversicherung gelten dieselben Regelungen wie im Büro: Es muss eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden eingehalten werden. Unfälle sind auch in der eigenen Wohnung während der Arbeit oder sogar auf dem Weg zum Supermarkt während der Mittagspause versichert. Grundsätzlich können Ausgaben für ergonomisches Mobiliar, wie zum Beispiel Drehsessel, im Ausmaß von bis zu 300 Euro pro Jahr als Werbungskosten abgesetzt werden.

Estland als Heimat für digitale Nomad*innen

Auf eine offenere Regulierung setzt dagegen Estland. Auch hier ist zwar eine schriftliche Vereinbarung nötig, dann können Arbeitnehmende aber am vereinbarten Ort frei entscheiden, wo genau sie arbeiten. Der Arbeitgeber hat derweil eine Mitverantwortung für Arbeits- und Gesundheitsschutz, allerdings müssen auch Arbeitnehmende mitwirken und sich an Regelungen und Richtlinien halten. Remote-Arbeit in Estland ist nicht nur bei den Est*innen beliebt – mit einem einjährigen Visum für digitale Nomad*innen lädt Estland auch Staatsbürger*innen aus Drittstatten ein, von dem baltischen Staat aus zu arbeiten.

EU-weite Regelungen sind in Arbeit

Neben den hier vorgestellten einzelstaatlichen Regelungs-Beispielen gibt es auch europäische Initiativen, den gemeinsamen Rechtsrahmen zu aktualisieren und auf neue Formen der Arbeit anzupassen. Unter dem Titel „Telework“ wurden dazu 2023 auf europäischer Ebene Sozialpartner-Verhandlungen zu „Telework“ mit ähnlichen Fragestellungen wie in der Politikwerkstatt geführt. Diese sind im November 2023 endgültig gescheitert. Die EU-Kommission hat daraufhin angekündigt, einen eigenen Regelungsvorschlag zur Telework und dem Recht auf Nichterreichbarkeit zu prüfen. Zur Vorbereitung einer solchen Initiative hat die EU-Kommission die erste Phase von Sozialpartnerkonsultationen (Art. 154 Abs. 2 AEUV) eingeleitet. Diese gibt den Sozialpartnern die Möglichkeit, sich zu einer möglichen EU-Initiative zu äußern. Viele Gesichtspunkte, die auf EU-Ebene diskutiert werden, sind hierzulande bereits praxisgerecht geregelt und höchstrichterlich geklärt, wie etwa die Bereitstellung von Arbeitsmitteln.

Bleiben Sie mit uns in Verbindung

Jetzt für den Newsletter anmelden