Zeynep Bicici ist Abteilungsleiterin für den Bereich der Dienstleistungsbranchen bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). 2022 wurde sie zur Präsidentin des Europäischen Gewerkschaftsverbands von Dienstleistungs-Gewerkschaften (UNI Europa) gewählt. Im Interview erzählt sie, was Arbeitnehmende aus ihrer Sicht für eine attraktive und zukunftsfähige Gebäudereinigungsbranche benötigen.
„Gebäudereinigungskräfte leisten einen unverzichtbaren Beitrag für Hygiene, Gesundheit und Lebensqualität.“
Frau Bicici, was sind aus Ihrer Sicht Garanten für eine attraktive und zukunftsfähige Arbeit in der Gebäudereinigungsbranche?
Viele Faktoren können die Gebäudereinigungsbranche aus meiner Sicht nachhaltig attraktiver machen. Zuallererst sind faire Arbeitsbedingungen nötig: Transparente und faire Arbeitsverträge und die Einhaltung der Arbeitszeit ohne Kürzung der vertraglich vereinbarten Zeit. Auch wichtig wäre eine umfassende rechtliche Absicherung bei Betriebsübergang ohne Verlust der Betriebs- oder Objektzugehörigkeit.
Betriebe sollten die Arbeit so organisieren, dass sozial verträgliche Arbeitszeiten wie die Tagesreinigung für die Beschäftigten möglich sind. Außerdem sollten Arbeitgebende ihren Kundenstamm nicht vergrößern, wenn sie kein neues Personal einstellen. Ansonsten erhöht sich der Druck auf die Beschäftigten. Die Angestellten brauchen darüber hinaus Schulungen und Weiterbildungen, die auch Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens ermöglichen. In der Reinigungsbranche arbeiten viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen. Die Betriebe müssen diese Diversität berücksichtigen und Chancengleichheit unabhängig von Geschlecht oder Herkunft fördern.
Weitere Faktoren sind natürlich gute und angemessene Löhne, die nicht nur existenzsichernd sind, sondern auch Wertschätzung für die geleistete Arbeit zeigen. Hier haben wir in der letzten Tarifrunde einen entscheidenden Schritt nach vorne geschafft und konnten für die Beschäftigten höhere Löhne in allen Lohngruppen verhandeln.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gebäudereinigung?
Für eine nachhaltig attraktive Zukunft der Gebäudereinigung wünsche ich mir eine bessere Wertschätzung der Branche. Unsere Gesellschaft muss ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Gebäudereinigungskräfte einen unverzichtbaren Beitrag für Hygiene, Gesundheit und Lebensqualität leisten. Dazu müssen gerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze und faire Arbeitsbedingungen zum Branchenstandard werden. Menschen mit Migrationsbiografie müssen gezielt gefördert werden, damit Sprachbarrieren und kulturelle Hindernisse abgebaut werden können. Wir sehen Chancen in der Etablierung von nachhaltigen und modernen Technologien, die die Arbeit erleichtern und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Ausschlaggebend ist auch die qualitätsorientierte Vergabe der Aufträge. Der Fokus muss auf fairen Arbeitsbedingungen liegen und nicht auf dem günstigsten Angebot. Es braucht einen starken Dialog zwischen Arbeitgebenden, Gewerkschaften und Mitarbeitenden, der auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt basiert.
Welche Herausforderungen sehen Sie dabei aktuell für Arbeitnehmende?
Aufträge in der Gebäudereinigung werden oft an den günstigsten Anbieter vergeben, qualitative Aspekte werden vernachlässigt. Daraus entstehen ein Preisdruck und ein hoher Wettbewerb. Das führt zu niedrigen Löhnen und einer hohen Arbeitsbelastung. Und es ist schwer zu kontrollieren, ob Unternehmen Standards in Bezug auf Löhne und Arbeitsbedingungen einhalten.
Gebäudereinigung findet häufig in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden statt. Die Schichtarbeit erschwert die Work-Life-Balance der Beschäftigten. Sie arbeiten selten parallel zum Tagesgeschäft und sind dadurch wenig sichtbar. Auch deswegen ist die gesellschaftliche und wirtschaftliche Wertschätzung der Arbeitsleistung der Gebäudereinigungskräfte immer noch sehr gering.
Sie sind Teil des Dialogs der Sozialpartner in der Gebäudereinigung. Welche Chancen bietet das Projekt für die Zukunft der Gebäudereinigung?
Der Dialog zwischen Sozialpartnern fördert die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebenden und Gewerkschaften zur Verbesserung der Arbeitsgestaltung. Wir entwickeln zum ersten Mal ein gemeinsames Verständnis von vielen wichtigen Themen. Beispielsweise wie im Vergabeverfahren die Qualität und faire Vergütung priorisiert werden können, statt nur auf Kosteneinsparung zu achten. Auch wollen wir gemeinsam konkrete Projekte auf dem Weg bringen. Das ist aus meiner Sicht ein großer Schritt nach vorn. Mit den geplanten Maßnahmen möchten wir die Gebäudereinigungsbranche langfristig attraktiver gestalten und ein Vorbild für faire Arbeit und soziale Verantwortung setzen.
Bleiben Sie mit uns in Verbindung
Jetzt für den Newsletter anmelden