Wolfgang Molitor ist Hauptgeschäftsführer des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks. Er und sein Team setzen sich aktiv mit den Herausforderungen der Branche auseinander. Im Interview erzählt er, was aus seiner Sicht für eine attraktive und zukunftsfähige Arbeit in der Gebäudereinigung nötig ist und welche Herausforderungen aktuell für Arbeitgebende bestehen.
„Unsere Branche ist eine sichere, unverzichtbare, systemrelevante und damit auch sinnstiftende Arbeit für die Gesellschaft.“
Herr Molitor, was braucht es aus Ihrer Sicht für eine attraktive Arbeit in der Gebäudereinigung?
Die Gebäudereinigung hat bereits viele attraktive und zukunftsfähige Komponenten. Fakt ist, dass unsere Branche eine sichere, unverzichtbare, systemrelevante und damit auch sinnstiftende Arbeit für die Gesellschaft ist. Rund 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten haben keinen deutschen Pass, fast 60 Prozent keinen Berufsabschluss. Die Branche hat damit eine große und wichtige integrative Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Weiterer Markenkern ist unser engmaschiges Netz an verlässlichen tarifvertraglichen Regelungen.
Wahr ist leider aber auch, dass gerade das öffentliche Bild unseres Handwerks deutlich negativer ist als die Realität und dass es viele Wissenslücken gibt. Nur ein Beispiel: Obwohl unser Handwerk noch nie etwas mit dem 2015 eingeführten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu tun hatte, packt uns die Presse regelmäßig in diese Schublade. Dabei haben wir seit Jahrzehnten Branchenmindestlöhne, aktuell mit 14,25 Euro deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn. Dieses Unwissen in den Redaktionen setzt sich in vielen gesamt-gesellschaftlichen Vorurteilen fort, denen wir mit Fakten wieder und wieder begegnen müssen. Nur so werden wir das Ansehen der Branche nachhaltig stärken und die Attraktivität des Berufsfeldes der professionellen Reinigung festigen.
Welche Herausforderungen bestehen aktuell für Arbeitgebende?
Mit zunehmender Wucht ist die Personalsuche zur mit Abstand größten Herausforderung für die Betriebe geworden. Übrigens bei allem Wandel – der extrem hohe Anteil der Lohnkosten ist ein Kontinuum. An der Lohnintensität der Gebäudereinigung hat sich über all die Jahrzehnte hinweg wenig geändert. Genau daraus ergab und ergibt sich bis heute die überdurchschnittlich hohe Bedeutung der Tarifpolitik für unsere Branche. Ansonsten leben die Unternehmen in mehrfacher Hinsicht in herausfordernden Zeiten: die Wirtschaft kriselt, vor allem die steigenden Sozialversicherungsbeiträge bereiten große Sorgen, die Kunden sind zurückhaltend – für unser industrienahes Dienstleistungshandwerk ist das ein extrem schwieriges Umfeld. Unsere Betriebe beklagen zudem ein hohes Maß an Bürokratismus: Beispiele sind das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die ohnehin komplexe Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zuletzt würden wir es begrüßen, wenn die Politik die Suche nach angemessenen Löhnen den Tarifparteien überlässt. Wir erleben im aktuellen Bundestagswahlkampf genauso wie im Jahr 2021 wieder einen Überbietungswettbewerb beim gesetzlichen Mindestlohn. Aus Sicht eines Sozialpartners, der seit Jahrzehnten aktiv Tarifpolitik betreibt, lehnen wir diese Entwicklung entschieden ab.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gebäudereinigung?
Drei Punkte möchte ich an dieser Stelle hervorheben: Zum einen setzen wir uns konsequent dafür ein, dass der Blick „von außen“ auf die Gebäudereinigung weniger klischeehaft ist. Daher spielen Image- und Öffentlichkeitsarbeit eine herausragend wichtige Rolle. Zum zweiten machen wir uns als Verband – übrigens seit vielen Jahren – für eine bessere Sichtbarkeit der Reinigungskräfte stark sowie gleichzeitig für zusammenhängende, attraktivere und familienfreundliche Arbeitszeiten, Stichwort Tagesreinigung. Und drittens kämpfen wir für bessere Vergabeprozesse, die als Zuschlagskriterium nicht 100 Prozent über den Preis gehen, sondern qualitätsorientierte Reinigungs- und Personalkonzepte gleichermaßen berücksichtigen.
Sie sind Teil des Dialogs der Sozialpartner in der Gebäudereinigung. Welche Chancen bietet das Projekt auf dem Weg zu einer attraktiven und zukunftsfähigen Gebäudereinigung?
Dialog ist – bei aller Differenz in Einzelfragen – immer wichtig! Andere Positionen wirken lassen, zuhören, sich auf Sichtweisen seines Gegenübers einlassen. Wir werden mit der Gewerkschaft und dem BMAS nicht in jeder Einzelfrage übereinstimmen. Einigkeit besteht aber darüber, dass wir gemeinsam über die Themen der Tarifpolitik hinaus Lösungen finden und umsetzen wollen, um Attraktivität und Zukunftsfähigkeit in unserem Handwerk zu garantieren. All das sind dicke Bretter – aber wenn wir gemeinsam bohren, ist es deutlich effektiver.
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